Der britische Autor Alastair Humphreys prägt 2012 den Begriff des Mikroabenteuers. Der Begriff macht eine erstaunliche Karriere. Bücher werden geschrieben, Blogs entstehen, die Outdoor-Industrie stürzt sich begeistert auf die neue Erfindung.
Am vergangenen Samstag, dem letzten im September, konnte ich – als Ruder- und Vereinsneuling – an der Tagesfahrt von Karlsruhe nach Mannheim teilnehmen. Am Abend sitze ich auf dem Sofa, betrachte (mit etwas Stolz) die Blasen an meinen Händen und bin mir sicher – da hat doch sicherlich einer der KRAler Humphreys gelesen und daraufhin die Tagesfahrt nach Mannheim erfunden.
Für Mikroabenteuer wurden Kriterien definiert:
- Ein Mikroabenteuer ist kurz (max. 24h). Erfüllt.
Wir starten um 9 Uhr am Vormittag und kehren gegen 20 Uhr zurück. - Ein Mikroabenteuer findet in der Natur statt. Erfüllt.
Wir schippern über den Rhein, erblicken Auenlandschaften, Streuobstwiesen, fliegende Schwäne berühren beinahe die eintauchenden Blätter. - Ein Mikroabenteuer ist nachhaltig und ohne Auto erreichbar. Erfüllt.
Beinkraft bringt uns nach Mannheim, die Bahn die müden Matrosen zurück. - Ein Mikroabenteuer fördert die Gemeinschaft. Erfüllt.
Gemeinsamer Takt spart Kräfte. Pause und Pizza in Speyer. Nur zusammen können die schweren Boote in Mannheim auf den Hänger gehievt werden.
Meine Blasen sind mittlerweile versorgt, ich stöbere noch etwas im Netz und erfahre Erstaunliches. Ende des 19. Jahrhunderts wandelt sich das Rudern vom reinen Leistungssport und Militärtraining zu einem gesellschaftlichen Freizeitvergnügen. Erste Vereine beginnen längere Touren auf Flüssen zu unternehmen. Die Wanderfahrt wird erfunden. 1920 wird das Wanderrudern offiziell durch den DRV als Sparte anerkannt. Natur- und Gemeinschaftserlebnis stehen im Mittelpunkt der Bewegung.
Wir war das nochmal? Alastair Humphreys – Erfinder des Mikroabenteuers? „Wer hat´s erfunden?“ möchte ich Humphreys mit etwas strenger Stimme zurufen. Meine neuen Ruderfreunde kamen bereist 100 Jahre früher auf die Idee!
Die Sache mit der Gemeinschaft und Identifikation funktioniert übrigens erstaunlich gut. Ich sitz immer noch auf dem Sofa, mein Blasen sind zwar versorgt, brennen aber wie Hölle und ich such nach Lösungen. Das gepriesene Ruder-Tape in schönem, leuchteten KRA-blau ist leider ausverkauft. Mit beinah schlechtem Gewissen lege ich die rote Variante in meinen Warenkorb.
Bericht: Anja Kulik
Fotos: Jenny